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Eurodämmerung in der Coronakrise

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Von Etienne Schneider und Felix Syrovatka (erschienen in LuXemburg, April 2020)

Auf einen Schlag war alles wieder da. Die Corona-Pandemie weckte die bösen Erinnerungen an die Finanzkrise 2007. Und in der Tat müssen wir heute davon ausgehen, dass die “Vollbremsung des Kapitalismus” (Nachtwey 2020) in Folge der Corona-Pandemie eine weltweite Wirtschaftskrise auslösen wird (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose 2020). Ein Vergleich mit der Weltfinanzkrise von 2007 drängt sich auf. Ähnlich wie diese hat auch die sich jetzt entfaltende Weltwirtschaftskrise tieferliegende Wurzeln in einem aufgeblasenen Finanzmarkt und in den angehäuften Überkapazitäten der industriellen Produktion, speziell im Automobilsektor (IfG 2020, 8). Die Stilllegung des öffentlichen Lebens und weite Teile der Produktion fallen zusammen mit einem sich dem Ende zuneigenden Konjunkturzyklus. Spätestens seit Anfang des Jahres 2019 kann ein weltweiter Rückgang der Nachfrage und der industriellen Produktion beobachtet werden, der insbesondere in Deutschland zu einer rückläufigen Wertschöpfung und einer zunehmenden Verwertungskrise des industriellen Kapitals führte (BDI 2019). Der größte Treiber des Konjunkturzyklus, der 2008 seinen Anfang nahm, war die nahezu unbegrenzte Bereitstellung von Liquidität durch die Zentralbanken, insbesondere durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische FED. Diese Form des “Liquiditätsmanagements” behinderte einen Abbau der strukturellen Überakkumulation und führte zu Spekulationsblasen. Der Börsencrash von Anfang März 2020 resultierte in erster Linie aus dem Platzen solcher Blasen (Lapavitsas 2020).

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Frankreich-Dossier der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat ein umfangreiches Dossiert zur Präsidentschaftswahl in Frankreich veröffentlicht. Neben interessanten Texten finden sich auch zwei längere Artikel von mir zu Emmanuel Macron sowie zur Lage der französischen Gewerkschaften. Beide Texte können kostenfrei als PDF auf der Webseite der Rosa-Luxemburg-Stuftung heruntergeladen werden.

Hier der Pressetext der RLS zum Frankreich-Dossier:

Wenn Frankreich am 23. April 2017 im ersten Wahlgang und am 7. Mai 2017 in der Stichwahl einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin wählt, wird Europa zittern. Und das nicht nur, weil ein Wahlsieg von Marine Le Pen seit Trump und Brexit nicht mehr unmöglich scheint und er Europa endgültig verändern würde. Das politische System Frankreichs befindet sich in einer generellen Krise. Und die französische Linke vermag es nicht einmal angesichts des übermächtigen Gegners von Rechts ihre Fragmentierungen zu überwinden.
Die Auseinandersetzungen im französischen Wahlkampf zeigen erneut, wie sehr die Krise der Demokratien in Europa angekommen ist. Die beiden Kandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen kommen von politischen Außenseiterpositionen, sie sind nicht repräsentativ für das etablierte System. Sie führen derzeit jedoch die Umfragen an. Damit steht Europa am Scheideweg:
«Gewinnt Le Pen, bedeutet dies das Aus für jenes Europa, das seit 1945 auch gerade im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen entstanden ist,» sagt Johanna Bussemer, Leiterin des Referats Europa in der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und „gewinnt Macron, bleiben zwar die Grenzen Frankreichs offen. Ob die Defizite der EU, die im Wahlkampf diskutiert werden, dann angegangen werden, ist allerdings unwahrscheinlich.»
In dem auf der neuen Webseite der Rosa-Luxemburg-Stiftung seit heute online stehenden Dossier «Frankreich wählt!» beschreibt Kolja Lindner eben jene Krise der Fünften Republik und die historische Schwäche der Linken. Daniel Cirera zeigt, dass der Ausgang der Wahlen auch über die Zukunft des Parti Socialist entscheiden wird und Julien Mechaussie setzt sich kritisch mit dem linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon auseinander.
In «Wenn das Saubermann-Image bröckelt» analysiert Petra Hessenberg den Zustand der konservativen Partei und ihres Kandidaten Francois Fillon. Dem neuen Shootingstar der französischen Politik Emmanuel Macron widmet sich Felix Syrovatka. Sophie Serbini zeigt, wie sich der Front National erfolgreich aus der rechtsextremen Ecke manövriert hat. In der Graphic Novel «Die Präsidentin» beschreiben Farid Boudjellal und Francois Durpaire, wie das Land nach einer Machtübernahme durch Marine Le Pen aussehen könnte. Auch die zwischendurch so starke Protestbewegung Nuit débout hat das Land nicht nachhaltig verändert, wie Karina Kochan analysiert. Und die französischen Gewerkschaften, beschrieben von Felix Syrovatka, sind so schwach wie nie zuvor in ihrer Geschichte.
In kommentierten Illustrationen zeigen Johanna Bussemer und Marie Geisler diese politische Gemengelage und ihre Konsequenzen.
Hörerlebnisse bieten drei Audioreportagen von Julien Mechaussie. Für die erste bereits abrufbare Reportage hat der französische Journalist die Stimmung auf der großen Demonstration von Jean-Luc Mélenchon und der Bewegung «France insoumise» («Das unbeugsame Frankreich») vom 18. März 2017 eingefangen. Die beiden anderen, später erscheinenden Reportagen bieten einerseits einen Blick von Politologen auf die Wahlen und die möglichen Konsequenzen für die deutsch-französischen Beziehungen, andererseits werden junge Wahlkämpfer Emmanuel Macrons aus Berlin vorgestellt.

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Veranstaltung in Hamburg: Grève générale und Nuit debout? Worum geht es bei den Protesten in Frankreich?

Diskussion / Vortrag
Mit Felix Syrovatka, Politikwissenschaftler, arbeitet schwerpunktmäßig zur Europäischen Union und zur materialistischen Staats- und Hegemonietheorie
Dienstag, 28.06.2016 | 19:00 Uhr bis 21:00 Uhr

Centro Sociale, Hamburg
Sternstraße 2
20357 Hamburg

Nuit debout, in den deutschen Medien übersetzt als „Die Nacht über wach (bleiben)“, aber auch „Die Aufrechten der Nacht“ ist eine soziale Bewegung, die seit dem 31. März auf dem Place de la République in Paris und anderen Städten des Landes jeden Abend und in der darauf folgenden Nacht gegen geplante Änderungen des Arbeitsrechts protestiert. Insbesondere jüngeren Leute engagieren sich in dieser neuen Bewegung. Im Mai hat die Gewerkschaft CGT mit Streiks in mehreren Branchen und Blokaden begonnen. Die Proteste werden durch die Polizei mit großer Härte bekämpft.

Die Gesetzesänderungen des Arbeitsrechts sollen dazu führen, dass die Arbeitszeiten und Löhne direkt auf Betriebsebene ausgehandelt werden. Das wird aber auch zu längeren Arbeitszeiten und der Verringerung des Kündigungsschutzes führen. Und die französischen Gewerkschaften wissen, dass sie den Erpressungen einer Belegschaft durch die einzelnen Unternehmen, den Drohungen mit Entlassungen, auf der Betriebsebene kaum etwas entgegensetzen können. Dadurch ist der energische Widerstand einzelner Gewerkschaften zu erklären.

Wie wirkt sich der Reformdruck aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit auf  die Arbeitsbeziehungen aus? Welchen Zweck hat die – teilweise an die Hartz-Gesetze erinnernde – Gesetzesänderung? Wie ist  die grundsätzliche soziale und ökonmische Krisensituation in Frankreich? Und welche Auswirkungen haben die Protestaktionen auf das politische Klima in Frankreich ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen? Welche Rolle spielt die politische Linke in den Protesten und nützt es ihr, wenn die regierenden Sozialdemokraten weiter zerfasern? Und wie verhält sich der Front National, der in den Umfragen teilweise als stärkste Partei gehandelt wird?