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NuitDebout vor einem Wendepunkt

Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei am letzten Aktionstag gegen die Arbeitsrechtsreform diskutiert nun ganz Frankreich über das Ausmaß der Gewalt auf französischen Straßen. Es gab landesweit mehr als 150 Verletzte, wobei davon mindestens 40 schwer verletzt wurden. Ein Student in meiner Erasmusstadt Rennes verlor sein Augenlicht. Dort waren die Auseinandersetzungen am Donnerstag besonders gewalttätig, was ein Resultat einer Gewaltspirale seit dem 31.03 ist.

Premierminister Valls nannte die Gewaltausbrüche „organisiert und gefährlich“ und meinte damit jedoch nicht die Polizei. Sogar Christian Paul, der Sprecher des linken PS-Flügels sah sich gezwungen, sich von den Demonstrationen zu distanzieren, nachdem er im Vorfeld immer wieder seine Sympathie für NuitDebout geäußert hatte.

Die Bewegung steht nun nach genau einem Monat ihrer Existenz vor einem Wendepunkt. Sie hat sich v.a. durch die massive Polizeirepression radikalisiert und gleichzeitig damit auch verkleinert. Viele gehen aus Angst vor Repression nicht mehr auf die Straße, auch wenn sie weiterhin den Protest für legitim halten. So geben 70% bei einer Umfrage des IPSOS-Institut an, die Proteste trotz der aktuellen Gewalt für richtig zu finden. Dennoch scheinen die repressiven Staatsapparate durch massive Gewalt die Bewegung spalten und illegitimeren zu wollen. Vieles wird nun davon abhängen, wie der 1.Mai ablaufen wird und wie sich die linken Gewerkschaften verhalten werden. Bisher scheinen alle Spaltungsversuche nicht zu funktionieren.

Vielmehr scheinen Studierende, Parteien und Gewerkschaften durch die Repression näher zusammenzurücken. So stellten sich die Sprecher von CGT und FO hinter die v.a. studentischen Proteste und kritisierten die Gewalt der Polizei, welche mit Gummigeschossen, Tränengas-, Blend-, und Lärmgranaten sowie mit äußerster Brutalität gegen die DemonstrantInnen vorging. Der Generalsekretär des CGT Philippe Martinez sprach sogar auf einer Versammlung von NuitDebout und forderte eine Zusammenführung ihrer Kämpfe und eine gemeinsame Strategie um das Loi El Khomri zu Fall zu bringen. Die französischen Linksparteien Parti de Gauche und KPF sind v.a. durch ihre Jugendverbände direkt in die Organisation der Proteste involviert und spielen v.a. in Rennes und Lille eine herausgehobene Rolle. Bisher blieben sich jedoch Gewerkschaften und NuitDebout weiterhin inhaltlich wie auch habituell fremd.

Wie es weiter geht wird sich nun wohl am 1.Mai zeigen. Eine weitere Eskalation der Gewalt wäre wohl ein schlechtes Signal, kann es den CGT wie auch damals 2010 dazu zwingen, sich von den Protesten zu distanzieren. Vielleicht führt jedoch auch die gemeinsamen Aktionen von Studierenden und Gewerkschaften am 1.Mai dazu, dass es zu einer weiteren und stärkeren Zusammenarbeit zwischen den beiden Hauptakteuren des Protestes kommt. Eine Annäherung zwischen beiden Akteuren und eine gemeinsame Überwindung habitueller Grenzen würde der Bewegung nicht nur eine neue Dynamik, sondern auch eine neue Wirkungskraft bescheren und könnte langfristig das Loi El Khomri doch noch zu Fall bringen.

Photo: Gongashan/Flickr.com

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Das Kapital walzt durch die Städte

Als im März dieses Jahres das Volksbegehren gegen Zwangsräumungen angenommen wurde, feierten mehrere tausend Menschen vor dem Parlament in Madrid. Lautstark skandierten sie: »Si se puede« (Ja, wir können es), um deutlich zu machen, dass dies ein zentraler Erfolg im Kampf gegen Zwangsräumungen ist.

Mehr als 1,4 Millionen Menschen hatten ein Volksbegehren unterschrieben, das Zwangsräumungen verbieten soll. Zudem sollen denjenigen die Schulden erlassen werden, die ihre Wohnungen schon verloren haben. Initiator dieser Kampagne war ein Bündnis aus Gewerkschaften, der spanischen Linkspartei Izquierda Unida sowie der Plataforma de los Afectadas por la Hipoteca (PAH, Forum der von Hypotheken Betroffenen). Bei mehr als 200 Zwangsräumungen pro Tag war dieser erste Erfolg der gemeinsamen Mobilisierung deshalb besonders wichtig. Er zeigt, wie tief diese in der Zivilgesellschaft verankert ist und dass die »Politik der perspektivlosen Kürzungen« gestört werden kann. (1)